Heute Nachmittag war die Abholung der Startnummer geplant und pünktlich um 15 Uhr Ortszeit sind mein Begleiter und ich aufgebrochen, um die letzte Formalität zu erledigen. Die Ausgabe erfolgte im ZORLU PERFORMANS SANATLARI MERKEZI.
Niemand von uns hätte geahnt, was hier noch alles passieren sollte. Wobei ich nicht unerwähnt lassen möchte, dass besagter Gebäudekomplex sehr modern ist. Hier werden nicht nur Konzerte aufgeführt, die Gebäude beherbergen auch sündhaft teure Geschäfte von sündhaft teuren Labels sowie einen luxuriösen Wohnkomplex für betuchte Istanbuler. Aber das nur am Rande.
Mein Name wurde in der Statistik schnell gefunden, schließlich hatte ich mich schon im Januar angemeldet und an meinen Daten hat sich bis heute nichts geändert. Bei der Registrierung hatte ich auch darauf geachtet, meine Ausweisnummer anzugeben, denn schließlich reise ich in die Türkei immer mit Ausweis – nie mit einem Pass – ein. So war es auch diesmal und damit begann das erste Problem, denn die Dame an der Ausgabe der Startnummern war der Meinung, ich müsse ihr nun einen Pass vorlegen. Hier konnte und musste mein Begleiter zum ersten Mal aktiv eingreifen und er schaffte es, der Dame im besten Türkisch zu erklären, dass Deutsche keinen Pass für die Einreise benötigen. Als das endlich klar und verstanden war, begann das nächste Drama, denn es wurde nach meinem HES-Code gefragt.
Was ist ein HES-Code? In der Türkei dient besagter HES-Code zur Bekämpfung und Nachverfolgung des Coronavirus. Dazu heißt es in offiziellen Unterlagen, z.B. türkischer Airlines: „im Rahmen der Maßnahmen zur Bekämpfung der Coronavirus (COVID-19)-Pandemie wird für Reisen innerhalb der Türkei ein HES-Code benötigt, welcher über das türkische Gesundheitsministerium erhältlich ist. In diesem Zusammenhang müssen alle türkischen Fluggäste, die auf einem unserer Inlandsflüge innerhalb der Türkei reisen, seit dem 28. Mai 2020 einen HES-Code über die mobile Anwendung HES oder per SMS anfordern.
Nun bin ich weder Türke noch innerhalb der Türkei mit dem Flugzeug unterwegs. Es galt also, besagter Dame klarzumachen, dass ein HES-Code bei meiner Einreise seitens der türkischen Behörden nicht verlangt wird. Das verstand sie nicht und erklärte meinem Begleiter, wir mögen doch jetzt zur Polizei gehen und uns einen HES-Code für mich besorgen. Sie schlug vor, wir sollten fragen, wie ich in die Türkei eingereist bin. Mein Begleiter wurde langsam immer ungehaltener und fragte die Dame, ob das ihr Ernst sei. Das war es und so langsam gesellten sich auch die anderen Helfer zu uns und beobachteten das Treiben interessiert. Eine Lösung hatte jedoch niemand von ihnen, und ich sah schon vor meinem inneren Auge, wie der Marathon ohne mich stattfindet.
Irgendwann fand sich dann ein echter Kerl ein, der meinte, die Anmeldung zum Marathon sei wie ein Einkauf im Supermarkt. Ich müsse vorher wissen, was ich brauche und schließlich hätte auf der türkischen Webseite gestanden, ein HES-Code sei notwendig. Die Diskussion begann von neuem, denn für ausländische Touristen gibt es scheinbar keinen HES-Code. Irgendwann konnten die Helfer sich den Erklärungen meines Begleiters jedoch nicht mehr erwehren, zumal er sie auch noch in fließendem Türkisch abgab. Man drückte mir die Startnummer in die Hand und meinte, ich solle versuchen, mich an den Polizeikontrollen vorbeizumogeln, denn schließlich könne ich dank nicht vorhandenem HES-Code nicht nachweisen, nicht an Corona erkrankt zu sein. „Und wie wäre es dann mit einem Covidtest?“, fragte Dr. Lippmann (mein Begleiter). Das ginge natürlich, meinten plötzlich alle Helfer einhellig und ihre Augen begannen zu leuchten.
Gesagt – getan. Nach der Entgegennahme der Unterlagen ging es im Taxi zurück nach Üsküdar und dort sofort ins Academic-Hospital, ein großes, modernes Privatkrankenhaus. Ein Schnelltest kostet hier 900 Lira (90 Euro) und das ist schon verdammt teuer. Aber was soll’s? Ich wollte auch nicht umsonst hierher geflogen sein. Nach einer Stunde sei das Testergebnis da, versicherte man uns und versprach, es per Mail zu schicken. Um 17 Uhr getestet plus eine Stunde Wartezeit ergibt nach Adam Riese ca. 18 Uhr. Nun ja, wir sind in Istanbul. Um 22 Uhr rief mein Bekannter im Krankenhaus an und erkundigte sich nach dem Ergebnis. Das sei am Telefon nicht möglich, der Datenschutz. Wo die Mail bliebe, fragte mein Bekannter. Welche Mail, erkundigte man sich dort. Es gab noch einige Wortgefechte mehr, aber 10 Minuten später traf das Ergebnis dann tatsächlich ein. NEGATIV. Gott sei Dank.
Doch zurück zum Marathon. Aufgrund der geänderten Streckenführung habe ich mich nochmal ausgiebig mit dem Höhenprofil des Kurses beschäftigt und ich gebe es zu, die Anstiege bereiten mir etwas Sorge. Das unten abgebildete Profil sollte eine aussagekräftige Antwort bieten, warum. Die Anstiege ziehen sich über insgesamt drei Kilometer und es werden dabei mehr als 100 Höhenmeter überwunden. Sie befinden sich in etwa auf der Hälfte der Gesamtdistanz, und damit ist klar, die meisten Höhenmeter werden in Besiktas und auf der Bosporus-Brücke zu überwinden sein. Wie kraftraubend das wird kann ich im Moment nicht einschätzen, aber die Frage, ob danach noch genügend Power vorhanden ist, um das „normale“ Tempo wieder aufnehmen zu können, beschäftigt mich schon.
Wie es gelaufen ist erfahrt ihr am Sonntag.