Tag der Wahrheit – Teil 2

Der Volontär und Dr. Lippmann reden relativ lange. Ich höre immer nur HES-Code und bemerke, dass der junge Mann immer verunsicherter wird. Er wagt es nicht, eine Entscheidung zu treffen, denn er bräuchte nur zu mir zu sagen: „Geh rein.“ Niemand nähme Anstoß daran, da uns niemand mehr beachtet. Stattdessen versucht er, die Supervisorin dazu zu bewegen, das Telefon zu übernehmen. Ein Blick von ihr reicht, und er stellt sich wieder an die Seite zu mir, stammelt dabei aber irgendwelche Entschuldigungen ins Telefon. Doch Dr. Lippmann lässt nicht locker und der arme Volontär versucht es kurz darauf ein zweites Mal. Diesmal mit mehr Nachdruck. Die Supervisorin übernimmt das Telefon und das Spiel beginnt von Neuem. Ich höre anfangs nur ihre ablehnenden Worte und immer wieder „HES-Code“. Dann plötzlich drückt sie mir das Telefon in die Hand und sagt: „Viel Spaß beim Marathon.“

Der Eingangs- und Kontrollbereich

Das muss sie mir nicht zweimal sagen, denn ich gehe sofort in den Innenbereich und erkundige mich bei Dr. Lippmann, was er ihr gesagt hat. Er meint, er habe ihr erklärt, die Vereinbarung vom Freitag sei mit dem sportlichen Leiter so getroffen worden und die Supervisorin solle sich die Frage beantworten, wie ich sonst an die Startnummer gekommen sei. Der sportliche Leiter habe das Vorliegen eines aktuellen Corona-Tests zur Bedingung gemacht und die sei erfüllt worden. Meine Nichtteilnahme am Marathon würde heißen, die Supervisorin würde diese Ausnahmeregelung zunichte machen, was eine Beschwerde beim sportlichen Leiter zur Folge hätte. Ich muss grinsen, als ich das höre, aber das Ziel rechtfertigt bekanntlich den Einsatz der Mittel. Wobei ich mir nichts vorzuwerfen habe, doch die Vorstellung, nach der weiten Anreise und den Zusatzkosten direkt am Eingang von der Teilnahme ausgeschlossen zu werden, war vor wenigen Minuten noch bittere Realität. Aber Ende gut, alles gut.

Sonnenaufgang am Bosporus

Ich begebe mich zum Bereich der Läufer der Kategorie B, denn dieser bin ich zugeordnet worden. Das lag an meiner angegebenen Laufzeit von 3h:30min. Inzwischen ist es hell und eines steht fest: dieser Tag wird sonnig und trocken. Im Umkleidezelt verrichte ich die letzten Vorbereitungen, lege den Laufgürtel an und bestücke ihn mit vier Energie-Gels, drei Päckchen meines Magnesiumpräparats und einer Notreserve Wasser. Die Schuhe werden noch einmal mit einem Doppelknoten gebunden, der Sitz des Tracking-Chips kontrolliert und dann ist endlich Zeit, die Mitstreiter in Augenschein zu nehmen. Ich bin gespannt auf die sportliche Herausforderung mit ihnen, doch zunächst gebe ich meine Sachen ab und gehe in den Aufwärmbereich … [weiterlesen]

Das Zeltlager
Ich bin als Autor und Lektor tätig. In meiner Freizeit laufe ich gern im Umland von Lübbenau und nehme gelegentlich an Laufevents teil. Neben dem Berlin-Marathon 2018 ist im November 2020 der Istanbul-Marathon dran und im Frühjahr 2021 (nach dem coronabedingten Ausfall im April 2020) der Spreewald-Marathon avisiert.

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