Die Frage lässt sich ganz kurz beantworten: Durch das Schreiben.
Doch mit dieser Antwort kann niemand etwas anfangen, das ist mir klar. Daher etwas mehr dazu. Vor 5 Jahren arbeitete ich sehr intensiv an einer Geschichte und befand mich dabei im sprichwörtlichen Tunnel. Soll heißen: Tag und Nacht schreiben, also wenig Schlaf, dabei massenhafter Tabakkonsum und Essen gab es nur, wenn was geliefert wurde. Sozialkontakte gingen gen Null, jeder Anruf war schon störend. Ja, sowas kommt immer wieder einmal vor. Der eine oder andere kennt das vielleicht. Die Geschichte musste einfach raus und aufgeschrieben werden.
Im Grunde genommen habe ich in dieser Zeit die Wohnung nicht verlassen und bewegte mich nur zwischen Schreibtisch, Bett und Toilette hin und her. Heute weiß ich, dass ich damals auf gerade mal auf 200 bis 300 Schritte am Tag gekommen bin. Und das war sichtbar, als das fertige Manuskript vor mir lag. Ich war völlig fertig, hatte aber endlich wieder Zeit, um mich selbst einmal in Augenschein zu nehmen. Und was ich sah, stimmte mich nachdenklich. Damit meine ich nicht die Ringe unter den Augen oder die nikotingefärbten Finger, sondern den Umstand, dass ich meine Knöchel nicht mehr sehen konnte. Irritiert fasste ich an meine Füße und die Unterschenkel. Das Gewebe dort fühlte sich irgendwie schwammig an, als ich draufdrückte. Upps, dachte ich und mir war sofort klar, hier stimmte etwas nicht. Ich fühlte keine Schmerzen und fragte mich gleichzeitig, wieso ich das nicht schon früher bemerkt hatte. Scheinbar hatte sich Wasser im Gewebe angesammelt (um es umgangssprachlich auszudrücken) und das musste unbedingt wieder weg.
Andere Betroffene wären vielleicht zum Arzt gegangen und hätte sich ein Medikament verschreiben lassen, aber eines meiner Lebensmottos lautet: Geh zum Arzt und du wirst krank. Außerdem halte ich nichts davon, Symptome mit Pharmaka zu bekämpfen, wenn es nicht sein muss. Fakt war, die überschüssige Flüssigkeit musste weg. Das hieß für mich, der Kreislauf musste angekurbelt werden. Nun bin ich nicht der Typ, der gern Gewichte stemmt und so entschied ich mich für das, was am naheliegendsten war. Ein bisschen Joggen, denn schließlich ist der Mensch ein Lauftier.
Anfangs war es schwer und die Sünden der eigenen Lebensweise sorgten dafür, dass die absolvierten Distanzen sehr kurz waren. Nach einem Kilometer hing mir schon die Lunge aus dem Hals und ich spürte, wie die Waden zu krampfen begannen. Also Pause machen und wieder ein Kilometerchen hinter mich bringen, lautete die Devise. Auf mehr als 3 oder 4 km habe ich es in den ersten Tagen nicht gebracht, aber bereits nach einer Woche gingen die Schwellungen an den Füßen zurück, nach zwei Wochen waren sie ganz verschwunden. Außerdem: ich konnte wieder unbeschwerter atmen. Es gab noch einige Aspekte mehr, die dafürsprachen, zwei- bis dreimal pro Woche ein paar Kilometer zu absolvieren, aber die sind an dieser Stelle nicht von Belang.
Auf jeden Fall habe ich eines richtig gemacht: Ich habe mit dem Laufen nicht mehr aufgehört. Wenn ich heute sehe, wie leicht es fällt, 10 km in weit unter 50 Minuten zu laufen, dann hätte ich das damals nicht für möglich gehalten. Und irgendwann stellte ich fest, wer 10 km läuft, der kann auch 15 schaffen oder vielleicht sogar ’nen Halbmarathon. Den ersten ging ich 2017 an und erledigte die Distanz in deutlich unter zwei Stunden. Was folgte, war das Projekt MARATHON. 2018 war es dann in Berlin soweit. Freunde überraschten mich mit einer Starterlaubnis. Einziger Wermutstropfen war, dass ich vom Startblock H aus starten musste. Aber was soll’s. Ich habe die Distanz in 3 Stunden und 59 Minuten geschafft, was fürs erste Mal recht beachtlich sein soll. Keine Ahnung, denn von den angekündigten Beschwerden, die man nach dem Lauf eine Woche lang haben sollte, spürte ich nichts. Kein Muskelkater, kein Open-Window-Effekt, einfach nichts. Ich sagte es schon: Wer jeden Tag 10 km läuft, der schafft auch einen Marathon!